Der Philosoph und Theologe Dr. Joachim Söder von der Katholischen Hochschule Aachen wies am 14.03.2014 in seinem packenden Vortrag auf die neue Kommentierung (2001) des Grundgesetzes hin. Von der Öffentlichkeit und leider auch der Wissenschaft fast unbemerkt, ist durch diese in der Rechtsauslegung bedeutsame Kommentierung unter maßgeblicher Mitwirkung des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog die "unantastbare" Menschenwürde als zentrale ethische Handlungsleitlinie des Grundgesetzes an Bedingungen geknüpft und damit verhandelbar gemacht worden; z.B. auch von Haushaltsnotlagen und den parlamentarichen Mehrheiten abhängig ? - Eine sehr fragwürdige Entwicklung, deren Konsequenzen Millionen von Bürgern*innen, z.B. mit den menschenunwürdigen Regelsätzen und Sanktionen im Hartz IV Gesetz schon schmerzlich zu spüren bekommen haben. Soziale Arbeit muss sich als Menschenrechtsprofession hier solidarisch an der Seite der Betroffenen positionieren.
Ein aktuelles Beispiel aus 2017 wie die neue Verfassungsauslegung wirkt, findet sich in folgendem Verfassungsgerichtsurteil (siehe TAZ 14.11.2017):
Im betreffenden Paragrafen des Sozialgesetzbuch II heißt es: „Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.“ Was „angemessen“ bedeutet, definierten die Richter des Verfassungsgerichts nun: Das Jobcenter soll sich an den Mieten für vergleichbare Wohnungen „im unteren Preissegment“ am Wohnort des Leistungsempfängers orientieren. Demnach durfte das Jobcenter die Leistungen der Klägerin kürzen, wenn die Wohnung nicht vergleichsweise günstig war. In einem solchen Fall sieht das Gesetz vor, dass Hartz-IV-Empfänger in der Regel spätestens nach sechs Monaten in eine günstigere Wohnung ziehen oder einen Untermieter suchen müssen.
Foto: Unsere Moderatorinnen Marie Seedorf und Maren Schreier während des Fachtages mit ca. 120 TeilnehmerInnen.
2.Vortrag: "Parteilichkeit und Soziale Arbeit im Interesse der Menschen – ist sie heute (noch) möglich ?" von emer. Prof. Dr. Mechthild Seithe, Berlin.
Während des Fachtages hatten Studierende, Betriebsräte und Gewerkschafter*innen in kurzen Statements Gelegenheit, über ihre Arbeitsbedingungen und aus den Arbeitsfeldern der Bremer Sozialarbeit zu sprechen: Suchtberatung, Offene Jugendarbeit, Hilfen zur Erziehung bei freien Trägern und im Jugendamt und aus der Hochschulausbildung; dort wo es angesichts von Niedrigstlöhnen, Arbeitsverdichtung, befristeten Verträgen und Teilzeitanstellungen, Leiharbeit und prekärsten Honorarverträgen immer schwerer oder unmöglich gemacht wird, würdevoll und im Einklang mit unserer Berufsethik zu arbeiten/zu studieren und wo unfachliche, finanziell und zeitlich einschränkende Vorgaben die AdressatInnen unserer Arbeit zunehmend entwürdigen.