Über 150 Interessierte waren am 24. Januar in den Reimarus-Saal der Patriotischen Gesellschaft von 1765 gekommen, um sich mit der intensiv- und individualpädagogischen Jugendhilfeeinrichtung “Port Nord” aus Bremen auseinanderzusetzen.
Helga Treeß begrüßte für den Arbeitskreis Kinder, Jugend und Bildung der Patriotischen Gesellschaft von 1765. Michael Lindenberg (siehe Foto) für das Aktionsbündnis gegen geschlossene Unterbringung. Danach führte Sinah Mielich, ebenfalls aktiv im Aktionsbündnis, durch den Tag.
Zur Eröffnung berichteten Jesko Fuhrken und Dominic Nehues aus dem Team von “Port Nord” über die Entstehungsgeschichte und die Arbeitsweise der Einrichtung. Anschließend stellte Reinhold Schone, der an der Evaluation der Einrichtung beteiligt gewesen ist, die zentralen Ergebnisse der Untersuchung vor.
Nach einer Pause wurden die Diskussionen in drei Workshops fortgeführt. Gabi Spieker und Michael Lindenberg diskutierten mit Träger-Vertretern über Möglichkeiten der Kooperation und aktuelle Projekte und Herausforderungen in der Jugendhilfe. Claudia Chodzinski von der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) e.V. thematisierte die Kooperation von Psychiatrie und Jugendhilfe. Thomas Zurborg und Sandra Küchler gingen in ihrem Workshop der Frage nach, wie die Maxime des “unbedingten Bleibens” in der Praxis der Jugendhilfe realisiert werden kann.
Die Veranstaltung schloss mit einer angeregten Diskussion zwischen den Leitungen der Workshops und dem Publikum zu der Frage, welche Konsequenzen wir aus den Erfahrungen des Projekts Port Nord für die erzieherische Jugendhilfe in Hamburg ziehen können.
Die Präsentationen von Jesko Fuhrken und Dominic Nehues sowie von Reinhold Schone und Claudia Chodzinski sind hier abrufbar:
Für den Abschlussbericht der Evaluation der Wohngruppe PortNord siehe:
https://media.suub.uni-bremen.de/handle/elib/7024
Eine Aufzeichnung der Vorträge ist hier zu finden: https://lecture2go.uni-hamburg.de/l2go/-/get/l/7467
(Dieser Beitrag wurde übernommen von dem befreundeten "Aktionsbündnis gegen Geschlossene Unterbringung", dessen Internetauftritt wir für weitere Informationen sehr empfehlen: https://www.geschlossene-unterbringung.de)
Am 4. März 2022 fand die Fachtagung zu Konflikten um Heimerziehung und Einschluss heute im Anna-Siemsen-Hörsaal der Fakultät Erziehungswissenschaft in Hamburg statt, zu der der Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Hamburg, das Aktionsbündnis gegen geschlossene Unterbringung sowie der Arbeitsbereich Sozialpädagogik der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg eingeladen hatten.
Das Interesse der Fachöffentlichkeit sowie Studierender und Mitglieder verschiedener Hochschulen aus Hamburg sowie dem Bundesgebiet war groß: ca. 150 Personen aus unterschiedlichen Bereichen der Jugendhilfe, nicht nur aus Hamburg, nahmen teil.
Unter diesem LINK ist ein ausführlicher Bericht von der Tagung "Konflikte um Heimerziehung und Einschluss heute" am 4. März 2022 aufrufbar:
Und doch: Das Jugendamt Bremen griff gegenüber jugendlichen Schutzbedürftigen (minderjährige Geflohene) , die sich einer umstrittenen Verteilungsregel nicht beugen wollen, zu Gewalt. Und die Innere Mission, die die Einrichtung betreibt, kooperierte. Dagegen wurde demonstriert, wie die TAZ vom 5.2.2020 berichtet.
Der Flüchtlingsrat und Fluchtraum Bremen e.V. haben am 14.01.2020 einen Offenen Brief an die Senatorin für Soziales, die Sozial-Deputation sowie den Jugendhilfeausschuss geschrieben, damit diese Gewaltanwendung gegen schutzbedürftige Jugendliche sofort gestoppt und das Kindeswohl nicht weiter gefährdet wird.
Zum Hintergrund: Im Januar 2020 wurde ein 17-jähriger unbegleiteter geflüchteter Bewohner der Jugendhilfe-EAE Steinsetzer Straße unter Anwendung körperlicher und psychischer Gewalt in eine andere Jugendhilfeeinrichtung nach Brandenburg verbracht. Ca. 10 Polizist*innen stürmten gegen 6 Uhr morgens in sein Zimmer, nötigten ihn sich anzuziehen und legten ihm Handschellen an. Danach verbrachten sie ihn gegen seinen erklärten Willen gewaltsam in eine andere Jugendhilfeeinrichtung. Die Handschellen wurden dem 17-Jährigen erst nach der mehrstündigen Fahrt im Polizeitransporter in Brandenburg wieder abgenommen. Bereits im Oktober 2019 war eine solche Verteilungsentscheidung gegen einen 16-Jährigen gewaltsam und mit Handschellen durchgesetzt worden.
Mehr Infos: https://www.fluechtlingsrat-bremen.de/2020/01/jugendamt-laesst-handschellen-anlegen/
Vor der Bremer Bürgerschaftswahl leitete eine einseitige Pressekampagne des Weserkurier zu Beginn des Jahres 2015 einen ordnungspolitisch/punitiven Rückfall in die schwarze Pädagogik der 1950er Jahre ein. Äußerer Anlass waren diesmal vorübergehend sich häufende Straftaten von jungen
minderjährigen Geflohenen besonders aus den Maghreb-Staaten, die zweifellos nicht einfach hinzunehmen waren und sind. Statt in einen offenen Dialog mit der Fachwelt zu treten sollte die Kinder-
und Jugendhilfe einseitig als "Lösung" noch weiter repressiv ausgerichtet werden. Dagegen formierte sich Widerstand.
Der damalige SPD Bürgermeister Böhrnsen (2017 zum Botschafter für das evangelische Reformationsjubiläum mutiert) rüstete wahlkämpferisch auf und forderte die Wiedereinführung geschlossener Unterbringung (GU) im Rahmen von Jugendhilfe ein, und das auch noch für eine ethnische Sondergruppe. Zusammen mit Hamburg, die den Träger stellen sollten, nahm das Unheil seinen Lauf.- Nach 2 Jahren werden diese Pläne im Februar 2017 von der Landesregierung nun wieder (fast) begraben. (Siehe Radio Bremen und TAZ vom 21.02.2017 und Weserkurier vom 22.02.2017) Ein Erfolg der vielen engagierten Praktiker, der Fachkräfte, der Wissenschaftler*innen und der Partei Die LINKE, die noch vor einem Jahr die einzige Partei war, die standhaft in der Bürgerschaft opponierte.
Die 2 Jahre währende Debatte begleiten wir hier mit Kommentaren und Dokumenten, die sog. "robuste" oder "konfrontative" Methoden und die GU als Irrweg entlarven, fachlich begleiten und auf Alternativen hinweisen.
Aufruf zur Teilnahme
am Tribunal "Dressur zur Mündigkeit ?"
am 30.10.2018 im Wichernsaal (Rauhes Haus) in Hamburg
Es ist keineswegs so, dass mit dem Abschluss der beiden Runden Tische zur Heimerziehung in West und Ost alles zum Besten stünde – im Gegenteil: Trotz unbestreitbarer Verbesserungen gibt es eine zunehmende Tendenz der Verletzung von Kinderrechten.
Besonders deutlich wird diese Verletzung durch eine bislang im wissenschaftlichen und fachpolitischen Diskurs kaum beachtete, in der Praxis aber mittlerweile vorherrschende Technologie: die des „Stufen-Vollzugs“ oder des „Phasen-Modells“. Dieses Konzept – inspiriert von den Bootcamps in den USA und behavioristischen Dressurexperimenten – fußt auf entwürdigenden und stigmatisierenden Degradierungszeremonien, auch wenn findige Professionelle für deren Bezeichnung ständig neue Vokabeln finden.
Derartige Programme widersprechen grundlegenden Menschenrechten und sind nicht mit der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen zu vereinbaren (BMFSJ 2007). Sie verstoßen gegen den gesamten Tenor der Konvention, vor allem aber gegen Art. 2: Achtung der Kinderrechte, Diskriminierungsverbot, gegen Art. 9: Trennung von den Eltern, persönlicher Umgang, sowie gegen Art. 12, in dem ausdrücklich festgehalten wird, dass die Willensäußerungen des Kindes „angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife“ zu berücksichtigen sind. Da diese Konvention in Deutschland unmittelbare Gültigkeit hat, müssen Einrichtungen, die mit derartigen Disziplinierungstechniken arbeiten, abgeschafft oder zumindest gezwungen werden, ihre Arbeitsweisen fundamental zu verändern. Diese Forderung ist allerdings durchaus umstritten. Die Befürworter von pädagogisch legitimiertem Zwang und therapeutisch begründeter Einschließung sehen darin vielmehr notwendige Interventionen, um gefährdete Kinder und Jugendliche vor ihrem eigenen, risikoreichen Verhalten zu schützen. Diese Kontroverse soll in Form eines Tribunals zugespitzt werden. Die Jury des Tribunals hört Zeugen und Sachverständige an; Anklage und Verteidigung halten Plädoyers; abschließend verkündet die Jury ihren Beschluss.
Ausführliche Infos hier unter diesem LINK.
timmkunstreich@aol.com und / oder wolfgang.rosenkoetter@gmx.de
Auszug (vollständg s.u. Download) : Der Beschluss der Jury
Burkhard Plemper, der Sprecher der Jury, fasste die Kernpunkte des einmütig gefassten Beschlusses zusammen:
„Der erste Punkt betrifft das Thema dieses Tribunals – Dressur zur Mündigkeit. Die Jury ist zu dem Schluss gekommen, dass es eine Dressur zur Mündigkeit nicht gibt, weil man niemanden durch
Dressur zur Mündigkeit bringen kann. Der Gegensatz kann nicht überbrückt werden.
Wir wollen nicht über die einzelnen Beispiele, über die ergreifenden Schilderungen etwas sagen, denn es war die einhellige Auffassung, dass das, was wir hier gehört haben, diese Schilderung aus der Praxis, schlicht rechtswidrig gewesen ist. Dafür gibt es keine Rechtfertigung.
Uns geht es um das Problem insgesamt. Es geht um das Problem der Heimerziehung und hier um das besondere Problem der geschlossenen Unterbringung in der Heimerziehung und der Wege dorthin. Die Jury ist hier zunächst zu dem Schluss gekommen, dass die Fokussierung auf die drei Artikel der Kinderrechtskonvention als Basis für eine Auseinandersetzung eigentlich zu schmal ist. Man muss weiter ausholen, denn das, was wir in der geschlossenen Unterbringung sehen, ist das Ende einer langen Kette von Ereignissen und die Spitze eines Eisberges.
In der Jury waren wir uns allerdings einig, dass diese drei Artikel der Kinderrechtskonvention durch die jetzige Praxis verletzt werden. Darüber hinaus ist das Recht auf gewaltfreie Erziehung auch im BGB festgeschrieben und das gilt nicht nur für die geschlossene Unterbringung und Phasenvollzüge, sondern das gilt für die Erziehung insgesamt.
Wir haben uns die Frage gestellt, ob es rechtfertigende Gründe für diese Beispiele gibt. Es gibt – und auch da folgen wir nicht der Verteidigung – aus rechtlicher Sicht keine rechtfertigenden Gründe für Zwang oder Gewalt, also auch nicht vorübergehend oder zur Abwendung von Schaden oder zur Erlangung eines Zieles. Und – was in diesem Zusammenhang vielleicht genauso wichtig ist – es gibt dafür auch keine erziehungstheoretische oder -wissenschaftliche Begründung, um so zu einer angeblichen Mündigkeit zu erziehen.“
Auf Basis dieser Position ergeben sich folgende Konsequenzen:
Burkhard Plemper hob noch einmal hervor, dass es nicht nur um die Einzelfälle gehe, sondern vor allem um eine ideologische Tendenz: Eine Tendenz totalitärer Erziehungspraktiken auf Grund der gegenwärtig wachsenden Klassenspannungen. Dagegen seien demokratische und solidarische Hilfeformen zu entwickeln und durchzusetzen.
Zum Schluss rief die Jury zu einer neuen Heimkampagne auf. Nach der Heimrevolte 1968/69 – Heimkampagne 1.0 – und den Heimreformen der achtziger Jahre – Heimkampagne 2.0 – sollte das Tribunal der Auftakt zu einer weiteren Heimkampagne sein.
Heimkampagne 3.0: Nicht nur eine alternative Heimerziehung ist das Ziel, sondern eine Alternative zur Heimerziehung.
In der Bremer Bürgerschaftssitzung vom 1. November 2017 warf Sofia Leonidakis (Linke) in der aktuellen Stunde (hier Audio) (Kannenberg-Insolvenz „Konzeptlos – Pleite ...“) der Sozialbehörde vor, ausgerechnet die schwarze Pädagogik (konfrontativ/entwürdigend) von Lothar Kannenberg, der als Berater in der Skandaleinrichtung Friesenhof in Schleswig Holstein beteiligt war, hier nach Bremen geholt zu haben. Eine öffentlicher Diskurs des pädagogischen Konzeptes wurde, falls überhaupt vorhanden, durch Nichtveröffentlichung verhindert.
Für die Betreuung der im Herbst 2017 verbliebenen ca. 140 unbegleiteten jugendlichen Ausländer muss nun (2018) eine Anschlussperspektive her. Die ca. 230 Beschäftigten waren für 3 Monate durch die Insolvenzkasse der Agentur für Arbeit gesichert. Bremer Steuergelder in Höhe von ca. 4 Mio. Euro sind futsch, während gleichzeitig die Freizis wegen Unterfinanzierung stöhnen. Es bleiben viele Fragen an das grüne Sozialressort. Hier sind alle Fragen und alle Antworten (Deputationssitzung 30.11.2017) nachzulesen.
Die TAZ vom 8.11.2017 berichtet über die von der Linksfraktion in der Bürgerschaft angestoßene "Aktuelle Stunde", als Video nachträglich zu schauen ab 1:08:47 TOP 2. Der Weserkurier vom 3. Nov. 2017 berichtet ausführlich.
Ca. 700 unbegleitete minderjährige Ausländer (umA) wurden in Bremen im November 2017 noch insgesamt in der Jugendhilfe betreut. Die Auslastung in den Einrichtungen sank im Laufe der letzten zwei Jahre auf 70% mit entsprechenden finanziellen Konsequenzen. Die sog. "Akademie Lothar Kannenberg", von der Landesregierung als angeblicher "Retter in der Not" ermuntert, hatte nur auf dieses Betätigungsfeld gesetzt. Sie durften mit Standards in der Jugendhilfe/Notunterbringung arbeiten, die die Üblichen weit unterschritten. Friesenhof-Inhaberin Janssen nahm schon 2005 Kontakt mit dem Ex-Boxer Lothar Kannenberg auf, und holte ihn 2013 vorübergehend als Berater in ihr Haus.
Wieso griff das Bremer Sozialressort nicht auf vorhandene Fachexpertisen zurück ?
Wieso musste ausgerechnet der von Roland Koch in Hessen hochgelobte Autodidakt und Ex-Boxer Lothar Kannenberg als "Fachmann" herhalten, der der Bremer Öffentlichkeit im Herbst 2014 im Weserkurier mit der Schlagzeile "Ex-Boxer drillt junge Flüchtlinge" präsentiert wurde ?
Welche Betriebserlaubnis mit welchem pädagogischen Konzept bekam die Jugendhilfeeinrichtung "Makarenko Schiffahrts gmbH" ?
Wieso wurde die geschlossene Unterbringung innerhalb der Jugendhilfe in Bremen geplant, obwohl sich aus guten Gründen langjährig in Bremen tätige Träger nicht für "schwarze Pädagogik" hergeben wollten ?
Wieso wurde mit einem dubiosen in Hamburg neugegründeten PTJ GmbH Träger weitergeplant ?
Die Sozialsenatorin antwortete auf die Fragen der FDP nach der Fachlichkeit in den Einrichtungen der Akademie Kannenberg und dem Erfolg der Maßnahmen (Auszüge aus der Sozial-DePu-Sitzung 30.11.2017, Hvhg. d.V.)
2. Welches pädagogische Konzept wurde bei der ALKG umgesetzt?:
6. Welche fachlichen Indikatoren geben einen Hinweis auf den Erfolg der ALGK in Bezug auf die untergebrachten Jugendlichen? (Indikatoren können bspw. sein: Bildung, Gewalt, Straftaten usw.)
7. War die Einrichtung nach Ansicht des Ressorts in ihrer Arbeit gemessen an den Erwartungen erfolgreich?
"In zwei Krisensituationen, einmal bei dem Versuch Antworten zu finden für auffällige, delinquente
Jugendliche und zum anderen bei der Notwendigkeit in kürzester Zeit für hunderte
von Jugendlichen Notunterkünfte zu schaffen (2015/2016) war die Akademie Lothar Kannenberg
ein engagierter Anbieter und Partner."
"Eine Gesamtdarstellung des Konzeptes würde den Rahmen einer Deputationsvorlage
sprengen. Der folgende Auszug aus dem Qualitätsentwicklungsbericht 2015/16 der Akademie Lothar
Kannenberg macht aber die Grundausrichtung des Trägers deutlich" [darin werden der §1 SGB VIII zitiert und das humanistische Menschenbild nach Wilhelm von Humboldt beschworen]
"Vor dem Hintergrund des starken Anstiegs der Anzahl geflüchteter minderjähriger Ausländer/
innen in den Jahren 2014/2015 bestand die Notwendigkeit, zur Vermeidung von Obdachlosigkeit
kurzfristig neue Jugendhilfeeinrichtungen zu eröffnen. Dabei mussten auch hinsichtlich
der Größe der Einrichtungen und der Betreuungsschlüssel neue Maßstäbe entwickelt
werden. In dieser Situation hat sich die AKLK als leistungsfähiger und flexibler Träger dargestellt, der auch unter schwierigen Rahmenbedingungen die bedarfsgerechte
Betreuung der anvertrauten
jungen Menschen sicherstellen konnte. Hinsichtlich des Qualitätsentwicklungsprozesses hat die AKLK dem Landesjugendamt fristgerecht Bericht erstattet. Bezüglich der Kontrolle des
Erfolgs individueller Maßnahmen ist zunächst festzustellen, dass es in den Jahren 2015 und 2016 zu zeitlichem Verzögerungen in der Hilfeplanung kam (zeitverzögerte Bestellung von Vormündern,
verlängerte Inobhutnahmephasen), so dass eine Auswertung bisher noch nicht erfolgen konnte."
"In den Einrichtungen der ALK wurde den Jugendlichen ein sicherer Wohnort mit einer verlässlichen Betreuung und Versorgung geboten. Die Jugendlichen wurden in ihren oft sehr
schwierigen Integrationsprozessen gefördert, wozu insbesondere auch die zahlreichen migrantischen Mitarbeitenden beigetragen haben. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen wurden bei
ihrer schulischen Integration und Verselbstständigung angemessen unterstützt.
Die AKL hielt auch für Jugendliche, die durch ihre individuelle Verhaltensproblematik sehr
fordernd waren und bei denen die Gefahr drohte, nicht mehr im Rahmen der Jugendhilfe
betreut werden zu können, Einrichtungen vor, in denen die Unterstützung und Förderung
durch neue (insbesondere niedrigschwellige) Hilfsangebote sichergestellt werden konnte."
Wir überlassen es dem/der Leser*in, sich anhand der Antworten ein eigenes Bild zu machen über die Fachaufsicht der Sozialsenatorin für die Unterbringung von bis zu 1000 jungen Menschen in Bremen.
Wir erlebten in der Bürgerschaft am 25.02.2016 einen historischen Rückfall in die 1950er Jahre. Unzählige fachliche Stellungnahmen renommierter Wissenschaftler*innen, Institute, Wohlfahrtseinrichtungen, Fachleute und Praktiker aus der Heimerziehung und Jahrzehnte negativer Erfahrungen mit geschlossener Unterbringung bis heute (z.B. in der Haasenburg), wurden in den Wind geschlagen.
Die Abgeordneten der neoliberalen Kartellparteien haben mit ihrer Stimmabgabe die Geschlossene Unterbringung mit der verklausulierten Ergänzung „fakultativ“ auf den Weg gebracht; ein schwerer Fehler. Ausgerechnet auf dem ehemaligen Gelände der Jugendhaftanstalt im Blockland sollte in Kooperation mit Hamburg das zynische Experiment umgesetzt werden, durch Unfreiheit zur Freiheit „zu erziehen“. Ein Verstoß gegen die UN-Kinderechtskonvention.
Der ehemalige grüne Staatssekretär im Bremer Sozialressort (2011-2015) Horst Frehe reichte im Juli 2016 diese öffentlich (bis 30.08.2016) mitzuzeichnende Petition ein: "Keinen Bau einer geschlossenen Unterbringung (GU) für Jugendliche in Bremen – stattdessen Instrumente des Jugendhilfesystems im Umgang mit delinquenten Jugendlichen ausbauen."
Frehe im Weserkurier vom 13.07.2016: "Wir wollen jetzt Druck außerhalb der Parteien und der Politik aufbauen, denn der Senat hält an der geschlossenen Unterbringung fest, obwohl man eigentlich weiß, dass es falsch ist. Es geht auch um Stimmungsmache, die immer wieder gezielt eingesetzt wird. Man hat das Problem der geflüchteten Jugendlichen, die Ärger machen, weg von den Bereichen Justiz und Inneres und hin zum Sozialressort geschoben. Die Jugendhilfe sollte das Problem lösen."
Unter diesem LINK kann die Stellungnahme der grünen Bremer Sozialsenatorin Stahmann vom 12.08.2016 zu der Frehe-Petition nachgelesen werden. Im bremischen Haushalt 2016/17 wurden demnach 100.000,- Euro an Planungskosten angesetzt, plus die nicht unerheblichen Kosten für die "Baureifmachung" des Geländes, sprich Abriss des ehem. JVA. - Rausgeschmissenes Geld ! Der Rest sollte über "Investoren" finanziert werden ? Ein amerikanisches Privatgefängnissystem !?
Auszug aus einem Weserkurierartikel vom 13.02.2017 :
"Als der Senat im April 2016 seinen Maßnahmenplan zum Umgang mit straffälligen Jugendlichen vorstellte, sagte Sozialsenatorin Anja Stahmann, die Einrichtung im Blockland sollte "in einer Kette von Maßnahmen" eines von vielen Gliedern sein, "aber ein ganz entscheidendes". Wenn es nach dem ehemaligen Sozialstaatsrat Horst Frehe ginge, könnte die Maßnahmenkette auf dieses Glied verzichten. "So eine Einrichtung ist nicht erforderlich, sie ist wirtschaftlich nicht zu vertreten, kurzfristig nicht herstellbar, fachlich nicht zu rechtfertigen, sicherheitspolitisch überflüssig und rechtsstaatlich bedenklich", sagte Frehe. Im Juli 2016 hat er eine Petition eingereicht, in der er sich gegen die geschlossene Unterbringung für Jugendliche ausspricht.
Am vergangenen Freitag hörte ihn der Petitionsausschuss an. Horst Frehe führte aus, dass die Jugendlichen, für die diese Einrichtung gedacht war, Bremen entweder verlassen haben, im Gefängnis sitzen oder inzwischen über 18 Jahre alt sind. Die Kosten für den Bau seien mit rund zehn Millionen Euro sehr hoch und es gebe inzwischen alternative Angebote der Jugendhilfe. Der Senat habe der Sozialbehörde damals lediglich den Auftrag gegeben, eine solche Einrichtung zu prüfen. Aber nicht, sie zu bauen.
Heidemarie Rose erklärte als Vertreterin der Sozialbehörde deren Position. Auch sie sagte: Die Situation, die es 2015 gab, sei mit heute nicht mehr zu vergleichen. Die Zielgruppe, um die es dem Senat damals ging, gebe es so heute nicht mehr. Nur noch einer dieser Jugendlichen sei unter 18 und käme damit für solch eine teils geschlossene Jugendhilfe-Einrichtung überhaupt in Frage. "Es ist eine legitime Frage, ob man eine Einrichtung in dieser Größenordnung braucht", sagte Heidemarie Rose. Ursprünglich sollte die Einrichtung im Blockland Platz für 24 Jugendliche bieten. Die Hälfte dieser Plätze sollte Hamburg belegen.
"Bedarf an Plätzen in einer geschlossenen Unterbringung gibt es in der gesamten Bundesrepublik", sagte Heidemarie Rose. Wenn es eine solche Einrichtung in Bremen gäbe, entstünde ihrer Ansicht nach eine bundesweite Nachfrage. Horst Frehe sprach von einem Kapazitätsproblem: Man lade andere Bundesländer ein, ihre schwierigen Jugendlichen nach Bremen zu schicken, wenn man die Plätze selbst nicht besetzen könne. Heidemarie Rose kündigte an: "Der Senat behält sich vor, in Kürze eine Entscheidung über die tatsächliche Umsetzung zu treffen.""
"Laut rot-grünem Koalitionsvertrag sollte eine entsprechende Einrichtung außerhalb Hamburgs in Kooperation mit einem benachbarten Bundesland entstehen – nun kommt auch ein Hamburger Peripherie-Standort infrage. Die zuständige Sozialbehörde geht, so ihr Sprecher Marcel Schweitzer, von einem Hamburger Bedarf „von etwas 15 Plätzen aus“." TAZ 5.4.2017
Dazu die kritische Rede im Bundestag von Jörn Wunderlich (Die Linke) am 30.06.2017 um 00:30 Uhr.
Eine von den Linken beantragte Anhörung wurde von CDU/SPD und Grünen abgelehnt, obwohl rund 50 Hochschulprofessoren aus der Jugendhilfe in einem Appell gewarnt hatten, dass mit diesem am 30.06.2017 verabschiedeten Gesetz problematische Praktiken wie Festhalten mit schmerzhaften Polizeigriffen legalisiert würden. TAZ-Artikel vom 03.07.2017 dazu.
Prof. Holger Ziegler schreibt dazu in der taz am 25.5.2017 (Auszug):
"...Von Bootcamps abgeguckt. In einer offenen Heimeinrichtung wurde ein autistisches Kind regelmäßig gefesselt. Die Eltern waren mit dieser in der Fachsprache Fixierung genannten Fesselung einverstanden. Nach derzeitigem Recht genügt das. Akzeptabel ist es deswegen noch lange nicht. Die Bundesregierung und die Grünen haben nun zwei ähnliche Gesetzentwürfe vorgelegt: Freiheitsentziehungen sollen nun auch bei Minderjährigen generell einem richterlichen Genehmigungsvorbehalt unterliegen.
Zwangsmaßnahmen „unterhalb“ geschlossener Heime, wie etwa Einschließungen in sogenannte Timeout-Räume oder Fixierungen, sollen in der Jugendhilfe keine Strafen darstellen, sondern, so ein Hamburger Eckpunktepapier, der erzieherischen Neutralisierung von Fehlverhalten dienen. Trotzdem wird im Kontext solcher Maßnahmen bisweilen bestraft, dass es kracht. Zum Teil werden in der Praxis Programme angewendet, die von Bootcamps kopiert sind. Das Leben der jungen Menschen wird dabei in einem Ausmaß und einer Kleinteiligkeit durch Regel- und Strafkataloge reglementiert, die sich in typischen Familien kaum finden dürften.
... Kindeswohl ist die fundamentale Kategorie für eine öffentlich verantwortete Erziehung, schon allein, weil die Erziehungsrechte bei den Eltern liegen und der Staat nur zur Sicherstellung des Wohls der Kinder eingreifen darf. Das sehen unter anderem das Grundgesetz, das Bürgerliche Gesetzbuch und die UN-Kinderrechtskonvention so vor. ...
Für freiheitsentziehende Maßnahmen lag die Messlatte aber lange Zeit höher. Als zulässig galten sie nur für die je kürzestmögliche Dauer zur Abwendung von konkreten erheblichen Selbst- und Fremdgefährdungen, das heißt Gefährdung von Leib und Leben. 2008 wurde der entsprechende Gesetzestext § 1631b BGB aber verändert: Die „erhebliche Selbstgefährdung“ ist nicht mehr das entscheidende Kriterium, sondern wird nur noch beispielhaft genannt. Wie der Bundesgerichtshof ausführt, hat der Gesetzgeber „davon abgesehen, Gründe für eine geschlossene Unterbringung abschließend aufzuzählen, da diese Gründe zu vielschichtig sind“.
Die „erhebliche Selbstgefährdung“ ist nicht mehr das entscheidende Kriterium. Hier lauert nun eine Gefahr...."
Auch als „physische Begrenzung“ oder „Antiaggressionsmaßnahme“ benannte Maßnahmen sind laut Paragraf 1631 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) uneingeschränkt verboten. (TAZ-Artikel)
(Hannelore Häbel Jahrgang 1948, Volljuristin und Diplompädagogin, war bis 2014 Professorin für Jugendhilfe- und Familienrecht an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg.)
Hier der Link zum downloadbaren Gutachten.
Die unten downloadbare Petition wurde bis 5. Mai 2015 von 849 Menschen mitgezeichnet. Dazu hat die TAZ 13.04.2015 ein Interview mit Olaf Emig veröffentlicht. Im April 2016 wurde darüber im Bremer Petitionsausschuss verhandelt. Antwort der grünen Bremer Sozialsenatorin Anja Stahmann vom 25.04.2016 auf Olaf Emigs Petition. Sie wurde vom Bremer Petitionsausschuss online gestellt und später wieder entfernt. Darin werden “Mobilitätsbegrenzung” und “fakultative freiheitsentziehende Maßnahmen” für notwendig erachtet.
Die grüne Bremer Sozialsenatorin Anja Stahmann vertritt bis heute, dass “Mobilitätsbegrenzung” und “fakultative freiheitsentziehende Maßnahmen” in der Jugendhilfe notwendig seien. Eine fatale Position, die dazu führt, dass das Bremer Jugendamt in einigen Fällen weiterhin Bremer Jugendliche in geschlossene Heime in andere Bundesländer vermittelt, u.a. auch in den inzwischen nicht mehr existierenden “Friesenhof” in Schleswig Holstein. Auskunft darüber, wie viele Jugendliche es sind, in welchen Einrichtungen und mit welchen “Diagnosen” die Einweisungen begründet werden, und ob die Maßnahmen evaluiert werden, wird bis heute verweigert. Außerdem gibt es den Verdacht, dass es in Bremen im sog. “Sattelhof” und anderen “intensivpädagogischen” Einrichtungen, u.a auch der Bremer Jugendpsychiatrie, unter “anderer Flagge” wieder zu Unterbringung mit Teilschließung und mit Phasenmodellen kommt. Antworten zu diesen Fragen liegen bis heute nicht vor. Es gibt leider zur Zeit keine einzige Fraktion in der Bremer Bürgerschaft, die bereit wäre, dies zum Gegenstand eine öffentlichen Anfrage zu machen.
Im September 2016 verstarb unser langjähriger Mitstreiter Olaf Emig nach längerer Erkrankung. Die erste Station in Olafs Berufstätigkeit war die Seefahrt. Von dort ausgehend schildert er in der unten downloadbaren Streitschrift (Widersprüche 2004) gegen die Geschlossene Unterbringung seine persönlichen Erfahrungen im von der Inneren Mission betriebenen geschlossenen Heim "Ellener Hof" in Bremen Blockdiek.
Olaf studierte und wurde Dipl.-Kriminologe und -Sozialpädagoge, war Redakteur der Fachzeitschrift „Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe“, Lehrbeauftragter an Hochschulen für Kriminologie und Sozialarbeitswissenschaften, Autor zahlreicher Aufsätze und Buchartikel zum Thema Freiheitsentzug von Jugendlichen. Er war langjähriger Koordinator zur Vermeidung von Untersuchungshaft und Jugendarrest gegen Jugendliche in Bremen, langjähriges Kuratoriumsmitglied des Deutschen Kinderschutzbundes, Landesverband Bremen. Olaf Emig, begeisterter Ukulenspieler im Bremer Ukulelenorchester, war langjährig tätig im Amt für Soziale Dienste Bremen und als Lehrbeauftragter im Studiengang Soziale Arbeit an der Hochschule Bremen.
Initiative für auffällige Jugendliche.
Der Schlussbericht des Untersuchungsausschusses umfasst rund 1.200 Seiten (link) und ist auf der Homepage des Schleswig-Holsteinischen Landtags im März 2017 abrufbar, wie die TAZ 17.03.2017 berichtet. Die Piraten und CDU/FDP sehen es in ihrem Votum anders als die Regierungsparteien. Nach Ansicht der Piraten habe es... "eine „Tradition des Wegschauens“ auf nahezu allen Ebenen gegeben. So hatte ein Mitarbeiter der Heimaufsicht bereits 2009 im Mädchencamp Nanna bei einer Begehung teils verschraubte Fenster und verschlossene Türen vorgefunden und gefordert, diese sofort wieder mit Griffen zu versehen. Doch der folgende Kontrollbesuch war angekündigt. Im Januar 2011 beschwerte sich die Meldorfer Familienrichterin Christiane Orgis, sie habe aus mehreren Verfahren den Eindruck, es handele sich beim Camp Nanna um ein Heim, das „teilweise faktisch geschlossen ist“. Es bestehe der „dringende Verdacht der Freiheitsberaubung“. Doch es änderte sich nichts Grundlegendes."
Die Brandenburger Jugend-Heimeinrichtungen der Haasenburg GmbH mussten (nach Aufdeckung durch Journalisten - nicht etwa der Fachaufsicht?!) wegen Misshandlungen und "erheblicher Mängel" (PUA) 2013 geschlossen werden. Es wurden 55 Ermittlungsverfahren gegen insg. 85 beschuldigte Erzieher oder sonstige Verantwortliche eingeleitet. In einer Antwort der Landesregierung in 2017 auf eine Anfrage der Linken wurde nun veröffentlicht, dass sehr viele Ermittlungen eingestellt wurden, weil - wie es wörtlich heißt - "durch die mutmaßlich Geschädigten keine Mitwirkung erfolgte" oder "wegen widersprechender Aussagen" der mutm. Geschädigten, der Zeugen bzw. der Beschuldigten. Nur in vier Fällen kam es zu einem Gerichtsverfahren, nur einer wurde wegen sexuellen Missbrauchs zu einer Freiheitsstrafe von 1,5 Jahren (auf Bewährung) verurteilt.
KIDS, Anlaufstelle für Jugendliche am Hamburger Hauptbahnhof muss bleiben und bittet um Support , z.B. mit der Mitzeichnung der Petition von Burkhard Czarnitzki, Dipl.-Sozialpädagoge, Leiter des KIDS / basis & woge e.V., an den Hamburger Oberbürgermeister. Die Räumlichkeiten des KIDS wurden zum 30.09.16 gekündigt. Ein so tolles niedrigeschwelliges, präventives Projekt muss nicht nur erhalten, sondern erweitert werden.
... Deutschland gesteht allen jungen Menschen das „Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ zu (§ 1 SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe). Hilfe zur Erziehung muss sich immer am Wohl des Kindes orientieren und den Anspruch der Erziehung zur Mündigkeit und den Schutz vor gewaltförmigen, verletzenden und entwürdigenden Maßnahmen erfüllen. Mädchen und Jungen, um die es bei der Frage der Erziehung unter Bedingungen des Eingesperrt-seins geht, haben seit ihrer frühsten Kindheit Gewalt, Vernachlässigung, Machtmissbrauch erlebt und können sich nicht (mehr) auf Standard-Angebote der Kinder- und Jugendhilfe einlassen. Nur weil sie mit bestehenden Hilfeformen scheinbar nicht mehr erreicht werden, darf nicht mit dem Etikett eines „Systemsprengers“ die Notwendigkeit einer Geschlossenen Unterbringung begründet werden
Die Praxis der Kinder- und Jugendhilfe zeigt, dass die nicht rechtzeitig und nicht in erforderlichem Umfang gewährte Hilfe zur Erziehung zu einer eskalierenden, selbst- und fremdgefährdenden Lebenspraxis von Mädchen oder Jungen beiträgt. „Anlass und Auslöser für die Geschlossene Unterbringung sind vor allem die Krisen des Jugendhilfesystems – weniger die Belastungen junger Menschen.“ (Schrapper 2013). Die Beschäftigung mit der Geschlossenen Unterbringung führt daher zwangsläufig dazu, sich mit dem Grundthema Qualität der Kinder- und Jugendhilfe auseinanderzusetzen...
Prof. Lindenberg und Prof. Tilman Lutz von der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie in Hamburg („Rauhes Haus“) , sowie emer. Prof. Timm Kunstreich. Downloadbare Dokumente gegen die GU und für die Alternativen sind zu finden hier und auf der sehr guten WEB-Seite des AKTIONSBÜNDNIS GEGEN GESCHLOSSENE UNTERBRINGUNG www.geschlossene-unterbringung.de
Es gibt Alternativen:
In der TAZ-Bremen vom 04.02.2016 hat Prof. Lindenberg das so angedeutet:
„Zum Beispiel kann ein Jugendlicher durch Fachleute intensiv begleitet werden und in seiner eigenen Wohnung
leben. Für das Geld, das die geschlossenen Einrichtungen pro Jugendlichen kosten, könnte man zwei Betreuer Vollzeit beschäftigen.“ In Hamburg haben Lindenberg und andere eine
"Vereinbarung mit dem DPWV zur intensiven Betreuung von UmF" erarbeitet. Seit längerem gibt es von Lindenberg u.a. fertig ausgearbeitete Grundsätze und Verfahren für einen
Kooperationspool zur Vermeidung von Geschlossener Unterbringung in Hamburg.
Der ehemalige Bürgermeister Böhrnsen hatte Anfang 2015 angewiesen, eine geschlossene Anstalt für Minderjährige (auffällige minderjährige Flüchtlinge) auf bremischem Stadtgebiet nach ca. 30 Jahren wieder einzuführen. Die ab Juli 2015 regierende Fortsetzung der SPD/Grüne Koalition hat diesen Kurs leider trotz vieler Mahnungen der Fachleute fortgesetzt.
Vergessen die Heimkampagne und die für betroffene junge Menschen traumatisierenden Erfahrungen mit den totalen Bremer "Fürsorge"anstalten 1933-45 und 1945-75 , z.B. die von der Inneren Mission lange betriebenen und vom Jugendamt belegten Heime "Ellener Hof" in Blockdiek (Ende 1989) und "Isenbergheim" in der Neustadt (Ende 1978). Beide Brutstätten von Übergriffen aller Art, wie hinreichend dokumentiert ist. Sind die mehr als hunderttausend jugendlichen Opfer in ganz Deutschland aus jener Zeit, deren Antragsfrist für "Almosen" aus den "Fonds Heimerziehung" zum 31.12.2014 gerade auslief, auch schon vergessen ?
Geschlossene Unterbringung (GU) ausgerechnet mit den Rechtlosesten, den minderjährigen Geflohenen ohne Eltern, auch noch ethnisch vorsortiert ? Wo bleibt die zuständige Amtsvormundschaft ? Wo bleibt Justiz und Polizei und die Trennschärfe der Rollen ? Wo bleibt die ausreichende personelle Austattung dieser staatlichen Instanzen? Wer ist laut Gesetz für Schutz der Bevölkerung und Umgang mit Straftaten zuständig ? Wo und wie könnte gute Kooperation und eine individuelle Betreuung dieser Jugendlichen aussehen ?
Ganz bestimmt nicht mit einem missbrauchten Kinder- und Jugendnotdienst, der nächtelang datenschutzrechtlich problematische (Telefonate?) Taxi-Transporte von der Polizeiwache in überfüllte oder ungeeignete Notaufnahmen ohne Dolmetscher auf Kosten der Gesundheit der Kollegen*innen organisieren muss; unterfinanzierte, konzeptionell fragwürdige, baulich bedenkliche und zwangsläufig überlastete Noteinrichtungen, in denen das Personal "an der Front" (besonders nachts) über ihre Grenzen gehen muss.
Das Lokalblatt Weserkurier lancierte sicherlich nicht zufällig eine journalistisch unterirdische Pressekampagne (11 Artikel in 9 Tagen vom 30.1.-7.2.2015, siehe unter News/Presse) fast nur für die Geschlossene Unterbringung unter ständiger Verwendung vorverurteilender Begriffe wie "hochkriminell", "Intensivtäter", vor dem Hintergrund fragwürdiger "Bürgerempörung" (besonders in Farge) gegen alles Fremde und angeblich Bedrohliche, was angeblich nur aus dem Ausland kommen könne. Warnende Fachleute braucht der "Qualitätsjournalismus des WK" offenbar nicht zu zitieren, geschweige denn zu interviewen, obwohl es viele ProfessorInnen und langjährig erfahrene PraktikerInnen gäbe: Prof. Schmidt-Semisch, Prof. Bettinger (beide Bremen) und Prof. Lindenberg, Prof. Lutz, Prof. Kunstreich (alle drei Hamburg), um nur einige zu nennen.
Einzig die TAZ-Bremen vom 5. Februar brachte löblicherweise ein Interview mit Prof. Michael Lindenberg mit dem Titel: "Nicht lösungsorientiert", welches zu lesen sehr zu empfehlen ist.
Und - wer hätte das gedacht - der Weser Report vom 8. Februar brachte auf Seite 2 ein deutliches Plädoyer gegen die GU seitens der sozialpolitischen Sprecherin der Grünen Susanne Wendland.
Kritik an der grünen Sozialsenatorin
Frau Stahmann favorisiert eine 3-Stufen Einrichtung: 1. Stufe geschlossen, 2. Stufe fakultativ, 3. Stufe offen - Nichts Neues, aber auch nichts Gutes ! Überwachen und erniedrigen in den Grauzonen der Hilfen zur Erziehung ?! So kritisiert der AKS Hamburg diese Stufenmodelle.
Hofft Senatorin Stahmann vielleicht mit dem Hinweis „...wir belegen auch einige der bundesweit 400 Heimplätze [in geschlossenen Heimen in Deutschland]“ leichter begründen zu können, dass Bremen nun eigentlich nur eine "heimatliche Fortsetzung" dieser fragwürdigen Praxis in Bremen bräuchte ?
Oder wie soll es zu verstehen sein, dass sie nun eine (Zitat) „intensiv-pädagogische Einrichtung plus“ mit ca. 20 Plätzen anstrebt; auch"Intensivpädagogische Komplexeinrichtung" genannt. Nur ein neues Label für den gleichen Inhalt: Einschluss ist ausdrücklich vorgesehen.
Schon die angedrohte und in "Einzelfällen" praktizierte Möglichkeit solchen Wegschliessens auf Kinder und Jugendliche, hat eine verheerende Wirkung, auch auf das Personal, sowie auf den
"pädagogischen Vollzug" in der Praxis. Hier hilft vielleicht ein Blick in die Geschichte solcher totalen Institutionen. (Literatur: Goffman, E. (1973): Asyle. Über die soziale Situation
psychiatrischer Patienten und anderer Insassen. Frankfurt/Main.) Oder der gerade im Juni 2015 in den Kinos angelaufene Film "FREISTATT".
Auch die Grünen in Hamburg, die die von "Schill" favorisierte geschlossene Einrichtung in der Feuerbergstraße nach dessen Abwahl 2008 glücklicherweise wieder beerdigten, haben sich in den Koalitionsverhandlungen im Frühjahr 2015 von SPD-Sozialsenator Scheele (inzwischen für solche Verdienste avanciert zum Chef der Bundesagentur für Arbeit), für "faule Kompromisse" für die GU hergegeben. GU soll es geben können und angeblich vorher alles versucht werden, eben diese zu verhindern. Wie soll das gehen: etwas zu befürworten, das verhindert werden soll ? Haben die Grünen "vergessen", welche Belegungsdynamik (Rentabilitätsdruck u.a.) die vorgehaltenen (sehr teuren) GU-Plätze entfalten, wenn sie erstmal da sind ?
Das ganze System der Eskalation im Jugendhilfesystem mit ansteigenden außerfamilialen Unterbringungen und den oftmals damit verbundenen Exklusionstendenzen (auffällige Jugendliche werden in den
"normalen Heimen" "untragbar") muss in den Blick genommen werden. Wie wäre es mit der Rückbesinnung auf die auch von
Deutschland ratifizierte UN-Kinderrechtskonvention (insbes. Art 37) und des Artikel 1 unseres Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, bzw. daraus folgende Grundsätze des SGB VIII
?!
Zwei "altgediente Kämpfer" kritischer Sozialer Arbeit, Timm Kunstreich aus Hamburg und Manfred Kappeler aus Berlin, in den 1970er Jahren führende Köpfe der sogenannten "Heimkampagne" zur (später erfolgreichen) Abschaffung geschlossener Heime, beobachten mit Sorge die mit modernen Begriffen garnierte Wiederkehr erniedrigender Konzepte, die junge Menschen wieder zu Objekten einer "Stufenvollzugsdressur" macht. Auf der WEB-Seite des AKS Hamburg heißt es u.a.:
"Manfred Kappeler zieht aus den Runden Tischen Heimerziehung in West und Ost folgendes Fazit: „Zuerst das Positive: der Kampf der ehemaligen Heimkinder und ihrer UnterstützerInnen hat sich gelohnt und lohnt sich immer noch, weil das jahrzehntelange Schweigen über die Gewalt, der Kinder und Jugendliche in der Heimerziehung ausgesetzt waren, gebrochen werden konnte…..
Nun das Negative: Die Jugendhilfe hat sich im Ganzen ihrer Vergangenheitsschuld nicht gestellt. Das bedeutet auch, dass die Chance, aus der kritischen Selbstreflexion der ‚dunklen Seite‘ ihrer Geschichte für die Gegenwart und für die Zukunft zu lernen, weitgehend nicht genutzt hat. Die in vielen Bundesländern wieder praktizierte ‚geschlossene Unterbringung‘ von wieder als ‚verwahrlost und schwersterziehbar‘ definierten Kindern und Jugendlichen ist ein Beispiel dafür“ (2013:30).
Dass aus Heimkarrieren unter den Vorgaben des KJHG/SGB VIII Maßnahmen-Karrieren geworden sind, ist bekannt. Bekannt ist auch, dass am Ende beider Karrieren die geschlossene Unterbringung stand und steht. Sah es in den achtziger Jahren so aus, als würde die geschlossene Unterbringung insgesamt abgeschafft und sah das neue KJHG dieses Instrument ausdrücklich nicht vor, so hat sich die Zahl der geschlossenen Unterbringungsplätze in den letzten 20 Jahren von ca. 125 auf knapp 400 mehr als verdreifacht. Nach der tendenziell positiven Evaluation dieser Einschließung im Namen des Kindeswohls durch das DJI und der erst vorsichtigen (11. KJB 2001:239f.) und dann entschiedenen Befürwortung geschlossener Unterbringung als Hilfe zur Erziehung (14. KJB 2013:349f.) ist mit einer weiteren Steigerung der Plätze sowie einer weiteren öffentlichen Akzeptanz dieser Ausschließung zu rechnen."
Eine aktualisierte Kurzfassung von Juli 2015 des Aufrufs " Dressur zur Mündigkeit? Für die Verwirklichung der UN Kinderrechts-Konvention statt Überwachen und Erniedrigen in den Grauzonen der Hilfen zur Erziehung!" findet sich unter diesem LINK.
"Man kann nicht an `Heimkindern` das exekutieren, was ansonsten in der Gesellschaft mit Fug und Recht als verboten gilt, nämlich eine Erziehung mit psychischem und physischem Zwang."
link
Der Weserkurier vom 23.11.2014 weist auf die Ende des Jahres 2014 auslaufende "Antragsfrist für ehemalige Heimkinder" hin. Hier ein bemerkenswerter Kommentar im WK-Online von einer "HeidiD" dazu:
"Bis zum Schluss also werden die Almosen aus dem Fonds Heimerziehung zu "Entschädigungen" umgelogen! Das ist schändlich und die Presse macht sich damit mitschuldig am heutigen Leid der ehemaligen Heimkinder. Daran nämlich, dass die Überlebenden deutscher Heimerziehung heute retraumatisiert werden, wieder gegängelt und gedemütigt! ENTSCHÄDIGUNG ist eine geldwerte Leistung als Ausgleich für einen erlittenen Schaden. Mit Rechtsanspruch und in bestimmter Höhe. LEISTUNGEN AUS DEM FONDS sind freiwillige Zahlungen von Kirchen und Staat in "Anerkennung des erlittenen Leides", die weder mit dem angerichteten Schaden noch mit dem aus den Heimkindern erzwungenen und erpressten Reichtümern auch nur das mindeste zu tun haben ! Und jetzt heißt es auch noch: WER ZU SPÄT KOMMT, GEHT LEER AUS! Das Leid der Menschen, die sich bis zum 31.12.2014 nicht überwinden konnten, oder die schlicht bis dahin nichts gehört hatten - verpufft. Dumm gelaufen. War wohl doch nicht so schlimm...."